Erfolg für den Augenoptikerverband NRW: Bundessozialgericht weist Klage der Techniker Krankenkasse gegen Augenoptiker ab

Dortmund, 10.12.2013 - Das  Bundessozialgericht  hat  am  28.   November 2013  eine   Klage  der  Techniker  Krankenkasse abgewiesen. Mit der Klage  forderte  die Krankenkasse Informationen über sämtliche Leistungsabrechnungsvorgänge im Zeitraum  von 2001 bis  2003. Mit Hilfe  dieser Information  wollte die Krankenkasse von ihr vermutete Betrugsfälle von Augenoptikern aufdecken.

Nachdem zuvor noch das Sozialgericht Aachen und das Landessozialgericht NRW die betroffenen Augenoptiker dazu verurteilt hatten, „sämtliche Unterlagen“ zu allen Versorgungsfällen der Jahre 2001-2003 an die TK herauszugeben, hob nun das Bundessozialgericht diese Urteile auf und wies die Klage der TK ab.

Im Terminbericht des BSG  heißt es: „ In dem… Rechtsverhältnis der Beteiligten gibt es keine Rechtsgrundlage, die es der Krankenkasse gestatten könnte, nahezu alle Geschäftsunterlagen eines Optikers heraus zu verlangen, um sie nach eventuellen Falschabrechnungen zu durchforsten. Dies gilt hier umso mehr, als die Krankenkasse selbst nicht von einem betrügerischen Verhalten des Leistungserbringers ausgegangen ist und zudem die Abrechnungen des Beklagten aus den Jahren 2001 bis 2003 fast ohne jede Kontrolle und Überprüfung hingenommen hat. Darüber hinaus wären auch etwaige Auskunfts- und Herausgabeansprüche bis auf solche der Klägerin aus dem Jahre 2003 verjährt; einer Geltendmachung der letzteren stünde indes der Einwand der Verwirkung entgegen: Die Krankenkasse hat die ihr obliegende gesetzliche Leistungsverpflichtung (hier: Versorgung von GKV-Versicherten mit optischen Lesehilfen) ohne ausreichende Kontrollmechanismen auf Dritte (hier: Optiker als Leistungserbringer) "outgesourct" und deren Abrechnungen jahrelang widerspruchslos hingenommen.“

Zum Hintergrund des Klageverfahrens: Im Jahr 2007 hatte die TK den Augenoptikerverband NRW dazu aufgefordert, dabei mitzuwirken allein in NRW ca. 230 Betriebe aufzufordern, bereits gezahlte Beträge für angeblich falsch abgerechnete Versorgungen zu erstatten. Das hatte der AOV als Interessenvertretung seiner Mitglieder abgelehnt. Daraufhin verklagte die TK Ende 2007 die 230 Betreibe in NRW bei verschiedenen Sozialgerichten. Zu diesen verklagten Betrieben gehörten auch die, für die der AOV später so bezeichnete Musterverfahren führen ließ. In allen Klagen wurde zunächst die Herausgabe sämtlicher Unterlagen für die Jahre 2001-2003 verlangt. Erst nach Auswertung der Unterlagen sollten dann später noch die jeweiligen Erstattungsforderungen beziffert werden.

Das Sozialgericht Aachen verurteilte dann in erster Instanz die beiden vom AOV vertretenen Augenoptikerbetriebe zur Herausgabe aller Unterlagen. Es vertrat dabei die Ansicht, dass Forderungen der Kassen auf Rückzahlung zu Unrecht abgerechneter Beträge erst vier Jahre, gerechnet ab Kenntnis von einer fehlerhaften Abrechnung, verjähren.

Gegen diese beiden Urteile wurde Berufung beim Landessozialgericht NRW in Essen eingelegt. Das LSG Essen hat die Urteile des SG Aachen bestätigt und die Ansicht vertreten, die Rückforderungsansprüche seien erst nach 30 Jahren verjährt. Gegen die Urteile des LSG wurde im Jahr 2012 Revision beim Bundessozialgericht eingelegt.

Mit der Veröffentlichung der vollständigen Urteilsbegründung kann Anfang 2014 gerechnet werden.

Mit diesem wegweisenden Urteil des BSG ist nun für alle noch laufenden Klageverfahren klar, dass die Kasse keine Möglichkeit mehr hat, Unterlagen zu den damaligen Versorgungen von den Augenoptikerbetrieben heraus zu verlangen. Die Kassen sind zudem wegen Verjährung bzw. Verwirkung auch ganz generell daran gehindert, für einfache fehlerhafte Abrechnungen noch Rückzahlung der Vergütung zu verlangen. Nicht auszuschließen sind nach dem BSG-Urteil lediglich noch Rückforderungen in solchen Fällen, in denen die Kasse einen Betrug eines Betriebes belegen kann. Hierbei dürfte es sich jedoch um seltene Ausnahmefälle handeln. In den beiden vom BSG entschiedenen Fällen ist ausdrücklich festgestellt worden, dass es keine Anhaltspunkte für Betrug gibt.

Der Augenoptikerverband NRW sieht sich durch das Urteil in seiner Einschätzung bestätigt, dass die Kassen gegenüber den Mitgliedsbetrieben grundsätzlich keine Forderungen mehr haben. Die Entscheidung, die betroffenen Unternehmen bei der Abwehr der Klagen massiv zu unterstützen, hat sich als richtig erwiesen. Ohne die entschiedene und nachhaltige Gegenwehr hätten die Urteile -insbesondere das Urteil des LSG Essen - für eine unabsehbare Vielzahl an Betrieben in ganz Deutschland Regressverfahren der Ersatzkassen zur Folge gehabt.

Quelle: Terminbericht des BSG Nr. 56/13 (zur Terminvorschau Nr. 56/13)